Sonntag, 29. November 2009

12. Kislev 5770 - shiur n°5

hier die Audio-Dateien Teil 1 und Teil 2 des Schiur zum Herunterladen

Die Schöpfung

Wenn Du jemand fragst, was schma israel bedeutet, wird er Dir sagen: Es gibt nur einen G‘tt, es gibt keinen außer diesen Einen.

Der Chassidismus erklärt, dass G`tt nicht nur der einzige G‘tt ist, sondern überhaupt die einzige Existenz. Denn die Welt ist so geschaffen, dass sie sich immer, jeden Tag, erneuert. Jeden Moment wird die Welt wieder neu für einen Moment erschaffen und hätte G‘tt nicht immer der Welt neues Leben gegeben, wäre die Welt verschwunden. Daher ist klar, dass die Welt nicht unabhängig existiert und ihre ganze Existenz auf der einzigen, echten Existenz - G‘tt basiert.

Die Vereinigung von G‘tt und der Welt

Im Chassidismus wird erklärt, dass die Welt so geschaffen wurde, dass alles, was existiert, immer mit dem Schöpfer verbunden ist. Und wenn die Verbindung zwischen Schöpfer und der Welt unterbrochen wird, wird die Welt nicht mehr existieren.

Das unterscheidet sich von unserem logischen Denken.
Wir sind daran gewöhnt, dass eine Schöpfung wie ein Kunstwerk ist. Wir kennen einmalige Schöpfungen. Wenn ein Künstler etwas geschaffen hat, existiert das Kunstwerk allein. Die Verbindung besteht nur, solange der Schöpfungsprozess anhält.

Man kann aber überhaupt nicht zwischen g‘ttlicher und menschlicher Schöpfung vergleichen.
Denn im Gegensatz zu menschlichen Schöpfungen kann die Welt nicht von G‘tt getrennt werden.

Warum?
Warum kann die Schöpfung, die Welt, nicht allein existieren?

Dazu gibt uns der Chassidismus ein Beispiel:

Wenn ein Mensch einen Stein wirft, sieht er, wie der Stein nach oben steigt. Am Anfang schneller, dann immer langsamer. Und irgendwann fällt er nach unten.
Was ist der Grund? Warum steigt er nach oben und fällt plötzlich nach unten?
Selbstverständlich ist die Erklärung, dass sich die Kraft des Werfers im Stein immer mehr vermindert und deswegen der Stein irgendwann nach unten fällt.

Jetzt stellt sich die Frage, was der Unterschied ist zwischen dem Steinwerfer und einem Schmied ist, der einen Topf schmiedet.
Warum ist es nicht notwendig, dass die Kraft des Schmiedes nicht immer im Topf sein muss wie die des Steinwerfers im Stein?

Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen einem Ergebnis, was neu entsteht und einer Aufdeckung etwas, was versteckt war. Der Schmied hat nur etwas entdeckt, was bereits vorher schon existiert hat, der Steinwerfer hat etwas Neues geschaffen. Wenn der Schmied ein Stück Silber nimmt und daraus einen schönen Kiddushbecher macht, hat er nicht das Silber verändert, sondern er hat die Form verändert. Es wurde nichts Neues erschaffen, weil auch vorher das Silber das Potenzial zu einem Becher hatte. Der Schmied hat das nur entdeckt.

Alle Arten von Formen auf der Welt sind bereits vorhanden, versteckt aus einem Grundstoff. Solange etwas eine bestimmte Form hat, schließt das eine andere Form zur selben Zeit aus. Daher kann ein Schmied der anderen Formen, die potentiell möglich sind, nur aufdecken. Aber diese sind nicht etwas Neues, sie sind nur die Entdeckungen von etwas Verstecktem.

Wenn wir davon ausgehen wollen, dass es eine Form geben soll, die potentiell nicht vorhanden ist, kann diese Form nicht entdeckt werden, weil der Schmied nicht etwas Neues schaffen kann.

Wenn im Gegensatz dazu ein Mensch einen Stein nach oben wirft, kann man nicht sagen, dass die Kraft, die den Stein nach oben treibt, schon im Stein drin war. Denn es ist klar, dass der Stein nicht nach oben steigen kann, im Gegenteil, in der Natur des Steins liegt es, nach unten zu fallen. Derjenige, der den Stein geworfen hat, hat etwas erneuert, etwas geschaffen, was bis dahin nicht existiert hat. Er hat einen Effekt gegensätzlich zur Natur des Steins erneuert.

Der Unterschied zwischen dem Schmied und dem Steinewerfer liegt darin, dass der Schmied nur die Form geändert hat und nichts erneuert oder geschaffen hat.

In Kabbala heißt es: gilui hahelem (Entdeckung des Versteckten)
Bei dem Steinewerfer hat eine Erneuerung stattgefunden, denn der Stein würde in der Natur nicht nach oben gehen.

In der Kabbala heißt es: hitchadshut (Erneuerung)

Jetzt können wir verstehen, warum der Steinewerfer eine dauerhafte Kraft in jedem Moment braucht, im Gegensatz zum Schmied, dessen Topf nach Fertigstellung keine Kraft des Schmieds mehr braucht. Denn die Form (welche potentiell vorher schon existiert hat) ist ihrerseits nicht neu. Vorher war sie versteckt und jetzt ist sie entdeckt. Deswegen braucht der Topf den Schmied nicht, er wurde ja nicht neu gemacht.
Aber beim Steinewerfer ist etwas Neues entstanden, gegen die Natur. Solange sich die Energie in dem Stein befindet, ist dieser in der Luft. Wenn aber die Energie verschwindet, wird er zurückkehren zu seinem Ursprung und nach unten fallen.

Man kann kategorisieren die Entdeckung des Versteckten in

- jesch mijesch - etwas, was entsteht aus etwas, was bereits existiert
- jesch miaijn - etwas aus nichts

Jetzt verstehen wir, warum es notwendig ist, dass G‘tt die Schöpfung immer neu erschafft.

Wenn bei einem Stein die Energie im Stein vorhanden sein muss, damit dieser in der Luft fliegen kann, um wieviel mehr ist bei Schöpfung der Welt notwendig, dass G‘tt die Welt in jedem Moment immer wieder erneuert. Denn die ganze Existenz der Welt ist abhängig von G‘tt.

Sonntag, 22. November 2009

28. Cheschvan 5770 - shiur n°4

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Ein Zaddik ist das Fundament der Welt

Auf der Ebene des Zaddik sagt uns der Talmud in sukka (S.45):
„Jede Generation hat 18.000 Zaddikim, die können die shechina sehen und 36 versteckte Zaddikim, die bnei aliya - die die besonders Erhobenen genannt werden und es gibt einen zaddik hador, den Zaddik der Generation“

Der Zaddik der Generation ist der Mosche seiner Zeit.

Der sohar (1. Teil S. 255) erzählt uns, dass der Zaddik der Generation es wert ist, dass die ganze Generation der Menschen Dank seines Verdienstes gerettet wird.

Wie Rabbi Schimon Bar Jechoi, der Autor des sohar, gesagt hat, wird G‘tt wegen einem Zaddik Gnade walten lassen.

Was ist die Besonderheit dieses einen Zaddik gegenüber den anderen Zaddikim?

Der Talmud shabbat S. 33 erzählt uns, dass Rabbi Schimon Bar Jochei 13 Jahre mit seinem Sohn in einer Höhle gelebt hat. Als sie herausgekommen sind, hat der Sohn, Rabbi Elazar, gesehen, wie profan die Welt ist und er hat G‘tt gebeten, er solle die Bösen strafen. Sein Vater, Rabbi Schimon aber hat G‘tt gebeten, dass die Bösen sich zum Guten wenden und G‘tt Gnade walten lassen möge.
Rabbi Elazar, der ein Zaddik war, konnte nicht ertragen, dass es Menschen gibt, die G‘tt verleugnen.
Sein Vater, der der zaddik hador war, hat die Menschen geheilt. Er hat das Gute in den Menschen gesehen. Er hat gesehen, dass man nicht etwas zerstören soll, sondern man soll es reparieren.

Es gibt Zaddikim, die vorrangig nur damit beschäftigt sind, sich selbst zu verbessern und sich noch enger mit G‘tt zu vereinen.
Der zaddik hador konzentriert sich auf die Verbesserung, die Verfeinerung der Welt, die Einführung von G‘ttlichkeit in die materielle Welt.

Aus diesem Grund heißt er zaddik yisod olam - das Fundament der Welt.

Und hier liegt der Unterschied zwischen den beiden Arten von Zaddikim.

Die 36 Zaddikim können auf die Welt einen positiven Einfluss von außen nehmen, sie sind höher als die Welt und haben deswegen nur eine Wirkung von außen. Wenn aber die Welt zu tief gesunken ist, kann nur der zaddik hador sie retten.

Jede Generation hat einen zaddik hador, der die Welt verfeinert, veredelt.

Es gibt eine bekannte Geschichte (Likudej Slichot Bd. 3, S. 802) vom mittleren Rebbe. Als er jung war, hat er gemeinsam mit seinem Vater, dem alten Rebbe, in einem Haus gewohnt. Er hat im Erdgeschoss gewohnt und sein Vater im Obergeschoss. Einmal, mitten im Lernen, ist sein Baby aus dem Bett gefallen. Er war so ins Lernen vertieft, dass er das Schreien des Babies nicht gehört und weitergelernt hat.
Sein Vater im Obergeschoss hat das Weinen des Babies gehört, ist hinuntergegangen und hat das Baby aufgehoben und beruhigt.
Der alte Rebbe sagte zu seinem Sohn, dass man auch mitten im Lernen hören soll, wenn ein Baby weint.

Unser Rebbe hat uns erklärt, dass wir hören sollen, wenn ein Kind weint, wenn eine Seele weint, wenn sie fern von Thora und Mitzvot ist. Wir sollen uns nicht damit beschäftigen, unser Sein zu verbessern, sondern sollen uns um diese schreienden Seelen kümmern.

Das ist das Wesen, das Konzept des zaddik hador. Er opfert seine eigene Verfeinerung für die Verbesserung der Welt.

Sonntag, 15. November 2009

21. Cheschvan 5770 - shiur

Da Rabbiner Yehuda Teichtal zum Treffen der Shluchim in New York weilte, hielt Rabbiner David Gvirtz vertretungsweise einen Shiur zum Thema

Das Öl von Chanukka

Ein Audio-Mitschnitt kann hier heruntergeladen werden

Sonntag, 1. November 2009

14. Cheschvan 5770 - shiur n°3

hier die Audio-Datei des Schiur zum Herunterladen

Die verschiedenen Ebenen in der Thora und beim Menschen

Viele fragen, wie man das Konzept des Zaddiks, wie wir es erklärt haben, vergleichen kann mit dem Konzept, wie es im Talmud und in der Halacha erklärt wird.

Der Rambam (hilchot tchuva Kap.3) sagt, dass ein Mensch nach der Mehrheit seiner Taten bewertet wird. Eigentlich ist das ein Widerspruch, denn wir haben gesagt, dass ein Mensch kein Zaddik mehr sein kann, wenn ein Mensch eine böse Tat getan hat.

Diese Frage wird im ersten Kapitel der Tanya gestellt.

Die Erklärung ist, dass manchmal eine Bezeichnung oder ein Name dazu genutzt wird, das Wesen einer Sache zu beschreiben, aber manchmal auch nur, um etwas allgemein zu erklären.
Wenn zum Beispiel ein Gericht einen Angeklagten freispricht, bedeutet das nicht, dass er die Tat nicht begangen hat, sondern man konnte es ihm vielleicht nur nicht nachweisen. Ihm ist zwar Gerechtigkeit widerfahren, aber er ist kein Gerechter.

Aber wenn man vom echten Wesen eines Menschen spricht, dann kann jemand, der eine Sünde begangen hat, im Wesen kein Zaddik sein.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie wir diese zwei verschiedenen Interpretationen von Zaddik und Rosche verstehen können? Wie kann man diese miteinander verbinden?

Dazu müssen wir folgendes einführen:
Wir haben schon erklärt, dass es in der Thora verschiedene Schichten gibt. Eines sind die offenen Teile - nigla, das andere die versteckten Teile der Thora - nistar.

z.B. das tauchen in der Mikve: - Im offenen Teil der Thora handelt es sich um die technischen Umstände der Mikve, im versteckten Teil der Thora wird erklärt, dass das Wort tvila (tauchen) die gleichen Buchstaben hat wie bitul (Annullierung).

Das bedeutet, dass der Hauptzweck des Tauchen die Annullierung gegenüber G‘tt ist. Und dass „es nicht ausreichend ist, nur zu tauchen ohne die Absicht, sich G‘tt gegenüber zu annullieren“

Das erweckt den Eindruck, dass das Tauchen ohne Annullierung nicht als Tauchen anerkannt ist.
Aber wir wissen ganz klar nach der Halacha (nida S.13), dass eine Frau, die in der Mikve auch ohne Absicht taucht, die Mitzva erfüllt hat.
In der Chassidut wird erklärt, dass beide Ansichten wahr sind. Beide haben Recht. Es kommt darauf an, mit welcher Perspektive das betrachtet wird.

Genau wie ein Mensch aus Körper und Seele besteht, besteht die Thora aus nigla und nistar. Die offenen Teile der Thora handeln von den Gesetzen, die durch den Alltag des Menschen führen. Die versteckten Teile der Thora handeln von der Seele und dem geistigen Aspekt des Menschen.
Genau so gibt es in der Mitzva einen Körper und eine Seele der Mitzva, die Ausführung und die Intention.

In der Mikve gibt es zwei Punkte:

- die äußerliche (körperliche) Reinheit
- die innerliche (seelische) Reinheit

Die köperliche (äußerliche) Reinheit wird dadurch erreicht, dass der Körper in das Wasser taucht, denn vom offenen Aspekt der Thora aus ist die Ausführung der Tat wichtig, egal mit welcher Absicht.
Aber bezüglich des inneren Aspekts wird die geistige Reinheit nur erreicht, wenn es zusätzlich zum Tauchen auch die Absicht der Liebe zu G‘tt gibt.

Deswegen legt der innere Teil der Thora Wert auf die Absicht des Tauchens.

Wir haben festgestellt, dass es verschiedene Perspektiven der Thora gibt.

Es gibt eine Perspektive, die mit Ausführung zu tun hat und es gibt eine Perspektive, die mit dem Inneren, der Absicht, zu tun hat.

Wie kann man nun wissen, ob es sich um eine innere oder äußere Perspektive handelt, wenn die Thora etwas sagt?

Die Antwort ist klar: Es kommt darauf an, wo etwas geschrieben ist. Wenn es im Talmud oder im Schulchan Aruch steht, handelt es sich um den offenen Teil der Thora, des Menschen. Es geht um die Tat.
Aber wenn es im Midrasch, in der Kabbala oder der Chassidut steht, betrifft es die innere Perspektive der Thora.

Wenn jetzt die Frage gestellt wird, ob ein Mensch ein Zaddik ist, müssen wir zuerst sehen, aus welcher Perspektive heraus diese Frage gestellt wird. Ist es aus der äußerlichen, offenen Perspektive heraus oder aus der inneren, wesentlichen Beschreibung des Menschen heraus.

Die erste Variante ist im Talmud und in der Halacha zu finden und dort wird ein Zaddik nach der Mehrheit seiner Taten beschrieben.

Aber wenn wir das echte Wesen eines Menschen beschreiben wollen, muss man andere Maßstäbe verwenden.