Sonntag, 17. Januar 2010

2. Schwat 5770 - shiur n°6

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Die Schöpfung - Teil 2

Im ersten Teil über die Schöpfung haben wir erklärt, dass G-tt die Welt so geschaffen hat, dass es jeden Moment neue Kräfte braucht, damit sie weiter existieren kann.

Das bedeutet, im Gegensatz zu dem üblichen Weg der Schöpfung, wenn ein Schmied etwas herstellt und es danach weiter existiert, ist die Erschaffung der Welt wie ein Mensch, der einen Stein nach oben wirft. Dieser fliegt nur so lang, so lang noch Energie in dem Stein ist.

Die Erklärung dafür ist, dass der­Schmied nicht etwas Neues herstellt, sondern nur die Form eines Materials ändert. Das Ursprungsmaterial hatte auch das Potential für diese neue Form.

Aber die Schöpfung der Welt ist etwas Neues. Genau wie bei dem Stein, in dessen Natur es kein Potential gibt, allein in der Luft zu fliegen.

Aus diesem Grund wird der Stein nur so lang durch die Luft fliegen, so lang noch Energie in dem Stein ist. Denn hier wurde etwas Neues geschaffen, etwas, was vorher nicht existiert hat.

Solange sich also noch Energie in dem Stein befindet, fliegt er. Aber in dem Moment, wenn die Energie verbraucht ist, geht der Stein in seine ursprüngliche Ausgangslage zurück, er fällt hinunter.

Aber beim Schmied hat sich in Wirklichkeit nichts erneuert. Die neue Form war vorher nur versteckt und jetzt wurde sie entdeckt, aufgedeckt.

Resumée:

In der kabbalistischen Terminologie heißt die erste Form

- jesch mijesch - etwas aus etwas

und die zweite Form

- jesch miaijn - etwas aus nichts

jesch mijesch bedeutet, dass hier etwas aufgedeckt wurde, aber sich nur die Form geändert hat und jesch miaijn deutet auf etwas Neues hin, was vorher nicht existiert hat

Jetzt ist klar, dass G-tt die Welt immer neu erschafft. Denn wenn man einen Stein wirft, muss man sicherstellen, dass immer Energie im Stein ist. Um so klarer ist, das G-ttes Energie immer in der Welt sein muss, damit diese existieren kann.

Es gibt keine unabhängige Existenz

Mit diesem Konzept können wir Achdut h“S (die Einheit G-ttes) erklären. Oberflächig bedeutet schma israel h“S: Es gibt einen G-tt und keinen anderen. Aber jetzt haben wir einen viel tieferen Einblick in die Bedeutung dieser Wörter.

G-tt ist viel mehr als nur Einer. G-tt ist die einzige, wahre Existenz. Der Einzige, der im Echten existiert. Außer Ihm existiert nichts. Denn G-tt hat auch kein Ende, Er ist die echte Energie der ganzen Schöpfung.

Alle anderen Schöpfungen haben keine eigene Existenz.

Aus diesem Grund sagt uns die Parsuk:

Ani h“S lo shaniti - Ich bin G-tt, ich habe nicht geändert.

Das bedeutet: Ich bin der gleiche G-tt vor der Erschaffung und nach der Erschaffung der Welt.

Und wie es vor der Erschaffung der Welt klar war, dass G-tt die einzige Existenz war, so ist es jetzt auch klar, dass G-tt auch nach der Erschaffung der Welt die einzige Existenz ist! Daraus folgt, dass die Welt keine eigene Existenz hat, sondern nur ein Teil von G-ttes Existenz ist.

Um das deutlich zu machen, gehen wir zurück zum Stein:

Wenn der Stein nach oben geworfen wurde, ändert sich der Stein nicht, obwohl er vorher am Boden gelegen hat und jetzt in der Luft fliegt. Trotzdem hat sich der Stein selbst nicht geändert, er hat keine neue Eigenschaft bekommen. Auch wenn der Stein in der Luft war, hat er sich nicht verändert. Seine Natur hat sich nicht geändert. Das Einzige, was hier passiert, hat nichts mit dem Stein zu tun, sondern mit der Kraft des Menschen, der den Stein geworfen hat.

Ähnlich verhält es sich mit der Welt.

Vor ihrer Erschaffung gab es keine Welt. Auch nach 6000 Jahren ihres Bestehens wird es keine Welt geben.

Stellt sich die Frage:

Warum existiert jetzt die Welt?

Die Welt existiert, weil G-ttes Kraft die Welt erhält und belebt.

Das heißt, wenn wir einen materiellen Gegenstand sehen, einen Stein oder ein Möbelstück, sollten wir wissen, dass deren echte Existenz die Kraft G-ttes ist, die diese belebt. Ohne die Energie G-ttes wäre die Existenz keines Gegenstands möglich. Es ist klar, dass der Gegenstand keine eigene Existenz hat. Deshalb muss G-tt die Gegenstände beleben, jeden Tag, jeden Moment.

Genau wie der Stein, von dem niemand behaupten wird, dieser sei von allein geflogen, wird niemand behaupten können, die Welt existiere von allein.

Jetzt können wir verstehen, dass G-ttes Energie nicht offen zu sehen ist, obwohl sie sich in jeder Sache befindet und G-tt die Kraft ist, damit diese Sache existieren kann.

Wir können nur die äußerliche Schicht sehen und deshalb erscheinen uns die Sachen unabhängig. Aber in Wirklichkeit ist G-ttes Licht die eigentliche Existenz der Sachen und ihre äußerlichen Erscheinungen sind nur eine Visualisierung.

Trotzdem gibt G-tt uns die Möglichkeit, tiefer hinein zu schauen und es wird uns ermöglicht, über unsere körperlichen Begrenzungen hinaus zu erleben.

Aber um das erleben zu können, muss ein Mensch über dieses Konzept nachdenken und er muss von seiner Klugheit zum Herzen hinuntersteigen.

Dieses Konzept steht in der Mischne Brachot (5.Kapitel, 1. Mischne).

Die ersten Chassidim haben vor dem Gebet sich konzentriert und darüber nachgedacht. Denn durch das Konzentrieren und das Durchdenken dieses Konzepts wird das Licht der Wahrheit beim Menschen entzündet.

Wie der Baal haTanje einmal gesagt hat:

„Vor mir sehe ich keine Säule, sondern G-ttes Geist, die in ihr steckt.“

Wer war der Erste, der sich damit beschäftigt hat?

Avraham - der erste Jude. Er hat gesagt: H“S ist kel olam (G-tt = Welt). Er hat nicht gesagt, G-tt, die Welt, sondern G-tt ist gleich die Welt.

Das bedeutet, dass die Welt keine eigene Existenz ist, sondern dass sie eins mit G-tt ist und dass sie kein Widerspruch zu G-tt ist.

Das war der Ansatz von Avraham avinu, die „Nicht-Eigen-Existenz“ der Welt zu verstehen.

Der Rambam sagt: „Es ist uns befohlen, G-tt zu kennen zu lernen.“

Das heißt, wir sollen dieses Konzept studieren und verinnerlichen als wesentlichen Teil von uns, dass G-tt nicht nur wörtlich eins ist mit der Welt.

Um dies zu verinnerlichen, müssen wir uns intensiv darauf konzentrieren.

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